Herausforderung Neugründung einer philosophischen Fachzeitschrift
von Martin Hähnel (Eichstätt), in Absprache mit den Herausgeber_innen der Zeitschrift für Ethik und Moralphilosophie
Kurz über uns
Die Gründung einer philosophischen Fachzeitschrift wie der Zeitschrift für Ethik und Moralphilosophie (kurz: ZEMO) ist eine Herausforderung besonderer Art, da der Markt, vor allem der internationale, für Zeitschriften auf diesem Gebiet annähernd gesättigt zu sein scheint. Gleichwohl denken wir, dass auch hier wichtige Nischen noch unbesetzt geblieben sind. Auf einige dieser Nischen, die wir als Editorial Board gezielt nutzen wollen, möchten wir im Folgenden zu sprechen kommen. Damit die Besetzung dieser Leerstellen auch gelingen kann, sind wir froh, dass wir mit dem Metzler Verlag, welcher seit 2015 Teil von Springer Nature ist, einen traditionsreichen und starken Partner gewinnen konnten, dessen Reputation und Professionalität nicht zuletzt unseren Autorinnen und Autoren zugutekommen wird.
Erste Herausforderungen
Die ZEMO steht noch ganz am Anfang. Unser Ziel ist es, sie als Forum für die Diskussion grundlegender ethischer Fragen und Problemstellungen in der philosophischen Gemeinschaft zu etablieren. Deshalb startet die ZEMO als bilinguale Fachzeitschrift (Deutsch und Englisch). Das gestattet es uns, lebhafte Diskussionen und kontroverse Debatten aufzugreifen, anzuregen und zu fördern, die auch von einer internationalen Leserschaft verfolgt werden können. Auf diese Weise möchten wir gerade auch Diskursbereiche besser miteinander vernetzen, zwischen denen bislang nur sporadisch ein akademischer Austausch zu beobachten ist. Eine solche Leerstelle akademischen Miteinanders, der wir uns verstärkt zuwenden möchten, betrifft die Kluft zwischen der eher analytisch geprägten Philosophie der englischen Sprachwelt und der europäisch-kontinentalen, eher hermeneutisch orientierten deutsch- oder französischsprachigen Denktradition. Darüber hinaus wollen wir gerade auch denjenigen Wissenschaftskulturen Raum zubilligen, die sich keiner der gerade genannten „Schulen“ zuordnen lassen und ganz eigene ethische Positionen und Methoden einbringen; hier denken wir z. B. an fernöstliche Philosophien.
Eine zweite Herausforderung ergibt sich daraus, dass die ZEMO ethische Debatten sowohl systematisch als auch historisch beleuchten will. Zwischen wie auch innerhalb vieler Fachzeitschriften werden beide Bereiche häufig getrennt gehalten, so dass eine Entscheidung, welche Ausrichtung der eigene Text erhalten soll, bereits oftmals mit der Entscheidung einhergeht, wo man ihn publiziert. Diese Trennung ist nicht selten problematisch, insofern sich die eigenen Gedanken immer vor dem Hintergrund des bereits von anderen Gedachten entwickeln. Diese mithin künstlich anmutende Trennung dort zu überwinden, wo es besonders nötig und fruchtbar ist, erfordert von beiden Seiten der Autorenschaft, den historisch orientierten und den systematisch orientierten Ethikern, eine gewisse Offenheit. Wer sich hier flexibel zeigt, erhält bei uns die Gelegenheit, die jeweils andere Seite besser kennenzulernen. Und wer in beiden Bereichen zuhause ist, kann seinen sowohl historisch als auch systematisch ausgerichteten Beitrag bei uns veröffentlichen – und erhält so die Möglichkeit zur Publikation seines Textes, der es bei anderen Fachzeitschriften, die in dieser Hinsicht stärker spezialisiert sind, womöglich schwerer hat.
Potentiale und Grenzen der Zweisprachigkeit
Es ist zu erwarten, dass die englische Sprache als globale lingua franca des 21. Jahrhunderts in Zukunft eine noch größere Rolle spielen wird. Damit einher könnte die Befürchtung artikuliert werden, dass sich mit Blick auf die Qualität der englischsprachigen Beiträge eine Mehrklassengesellschaft herausbildet: Womöglich sprechen bilinguale Zeitschriften wie die ZEMO in erster Linie Autorinnen und Autoren an, die auf Englisch publizieren wollen, deren Muttersprache aber eine andere ist, während englischsprachige Philosophinnen und Philosophen von vornherein eher zu den bekannten Zeitschriften mit hohem Impact-Factor gehen. Andererseits bieten die hohen Ablehnungsraten von Zeitschriften wie „Mind“ oder „Ethics“ und eine bisweilen als willkürlich erfahrene Entscheidungspolitik vielversprechende Potentiale für Zeitschriften wie der ZEMO: Dank verschiedener (Exzellenz-)Initiativen und der Neugründung einer ganzen Reihe von philosophischen Zentren in den letzten Jahren gibt es gegenwärtig gerade im deutschsprachigen Raum mehr interessante Beiträge zu moralphilosophischen Fragestellungen und Debatten als Publikationsorgane. Das will die ZEMO nutzen. Gerade weniger etablierte Autorinnen und Autoren erhalten mit der ZEMO die Gelegenheit, ihre Überlegungen auch für ein internationales Publikum sichtbar zu machen.
Offene Fragen
Über die generellen Vor- und Nachteile des Publizierens auf Deutsch und Englisch gibt es bekanntlich immer wieder kontroverse Diskussionen, so z. B. beim letztjährigen DGPhil-Kongress in Berlin. Die Diskussion in Berlin lief auf das nicht allzu überraschende Ergebnis hinaus, dass das Publizieren auf Englisch auf absehbare Zeit der Standard bleiben wird, wenn man in aktuellen ethischen Diskussionen mitreden will. Ausnahmen bestätigen dabei die Regel: So wies Michael Quante darauf hin, dass z. B. die Hegeldiskussion aufgrund des besonderen Erfordernisses deutscher Sprachkompetenz weiterhin nicht nur auf Englisch geführt werden kann und sollte. Angesichts der langen Tradition deutschsprachiger Ethik ist es der ZEMO wichtig, das bilinguale Auftreten nicht einfach als Feigenblatt für eine grundsätzlich englischsprachig ausgerichtete Fachzeitschrift zu verwenden. Tatsächlich wollen wir die Offenheit für beide Sprachen nutzen und sehen uns primär als Forum für den deutschsprachigen Bereich, was nicht zuletzt gerade auch an entsprechend versprachlichten Beiträgen deutlich werden soll. Doch wie hält man die Waage zwischen deutsch- und englischsprachigen Beiträgen? Als Redaktion wollen wir einerseits deutschsprachige Autorinnen und Autoren ermutigen, ihre Beiträge auf Deutsch einzureichen. Andererseits möchten wir niemanden daran hindern, auch auf Englisch zu publizieren. Natürlich ist es für uns gerade zu Beginn schwer abschätzbar, wie sich das Verhältnis an deutsch- zu englischsprachigen Beiträgen in der Zukunft entwickeln wird. Auch ist uns bewusst, dass aufgrund der Zweisprachigkeit der Fachzeitschrift besondere Herausforderungen auf uns warten: So müssen wir für gleich zwei Sprachen eine entsprechende Reaktion samt Korrektorat vorhalten, um neben der inhaltlichen auch die sprachliche Qualität der Beiträge sicherzustellen; bereits deshalb sind wir dankbar, mit Metzler und Springer VS einen Verlag im Rücken zu haben, der uns die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stellen kann.
Martin Hähnel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im BMBF-Projekt „Der manipulierbare Embryo. Implikate der biotechnologischen Beeinflussbarkeit von Spezieszugehörigkeit und Entwicklungspotential bei Embryonen für das Spezies- und das Potentialitätsargument – Eine normative Analyse“ (MANIPS) an der KU Eichstätt-Ingolstadt. Er ist Editor-in-Chief der Zeitschrift für Ethik und Moralphilosophie, die seit 2018 bei J.B. Metzler erscheint.