11 Jun

Kants Urteil über Frauen

Von Konstantin Pollok (Mainz)

Kant hat, in mancher Hinsicht historisch verständlich, aber dennoch philosophisch und menschlich erschütternd Fehlurteile nicht nur gefällt, sondern auch zu begründen versucht. Sein Antisemitismus (7:205–06), sein Kultur- und Sprachchauvinismus (7:191), seine Ansicht zur Todesstrafe (6:333–37) und, meines Erachtens sehr zentral, seine Misogynie sind nicht zu rechtfertigen. Kant anerkennt zwar die Klugheit einzelner Frauen, z. B. der Madame du Châtelet, aber im Allgemeinen besitzen seiner Auffassung nach Frauen keinen dirigierenden (bzw. in Bezug auf Wissenschaft „architektonischen“ Verstand; 15:167), ihr Verstand sei stattdessen von den „Leidenschafften verdunckelt“ (25:152). In einer Vorlesung soll er gesagt haben: „Es ist nicht zu läugnen daß es auch Fälle giebt, wo dem Mann der dirigirende Verstand mangelt, und wo nur eine Frau denselben besizt, (Mit solchen Frauen mag ich nicht gerne zu thun haben) allein man muß eine jede Regel so viel wie möglich allgemein laßen, wenn gleich einige Fälle davon abgehen.“ (25:355) Aus diesem Grund spricht Kant der Frau die aktive Staatsbürgerschaft und sogar die Vertragsfähigkeit ab. Kant hat aber andererseits mit der Freiheit und Gleichheit als Kernelementen der „Würde der Menschheit“ (4:440) praktische Ideen und Normen begründet, gemessen woran jene groben Fehlurteile überhaupt erst als solche zu erkennen und zu kritisieren sind.