31 Aug

Armut überkreuz? Rassismus, Sexismus, Klassismus im Kapitalismus[1]

Von Brigitte Bargetz (Kiel/Wien) und Jana Günther (Darmstadt)

Seit der Coronakrise stiegen nicht nur die Vermögen elitärer Bevölkerungsteile, sondern auch die Armutsrisiken weltweit. Gerade während Krisen zeigt sich immer wieder, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders vulnerabel sind. Dazu gehören insbesondere Menschen in unteren Einkommensklassen, Migrant*innen, People of Colour sowie Frauen.

Armut und Ausbeutung

Armutslagen und -risiken haben verschiedene Ausprägungen. Armut steht heute vornehmlich mit der weltweiten Durchdringung kapitalistischer Produktions- und Lebensweisen nach der Auflösung des Sowjetblocks sowie mit (post-)kolonialer Ausbeutung im Globalen Süden und indigener Bevölkerungsgruppen in Zusammenhang. Kapitalismus als „Gesellschaftsform“, so formulierte es Nancy Fraser vor einiger Zeit pointiert, ‚verschlingt‘ „routinemäßig die Grundlagen der eigenen Existenz“.[2]

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30 Nov

Warum ein demokratischer Rechtsstaat Armut nicht tolerieren darf

Dieser Blogbeitrag bezieht sich auf einen ausführlichen Beitrag im neuen Handbuch Philosophie und Armut, welches im April 2021 bei J.B. Metzler erschienen ist.


von Eva Maria Maier (Wien)


Einleitung: Armut und Pandemie

Gerade die aktuelle Krise illustriert eindringlich, dass wachsende Armut und Arbeitslosigkeit nicht nur ökonomische Wachstumsraten gefährden, sondern selbst die demokratische Kultur etablierter Rechtsstaaten vor gravierende Herausforderungen stellen. Vor allem rückt die Pandemie-Ausnahmesituation neue Armutsfallen und neue Formen der sozialen Exklusion in den Fokus staatlicher Verantwortung. Generell müssen Armutsbekämpfung und soziale Sicherheit als genuine Aufgaben demokratischer Rechtsstaatlichkeit begriffen werden. Insbesondere sind Armut und Ausgrenzung mit dem fundamentalen Prinzip der Menschenwürde unvereinbar.

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18 Nov

Macht es Sinn, von gemeinsamer Verantwortung für Weltarmut zu sprechen?

Dieser Blogbeitrag bezieht sich auf einen ausführlichen Beitrag im neuen Handbuch Philosophie und Armut, welches im April 2021 bei J.B. Metzler erschienen ist.


von Anne Schwenkenbecher (Murdoch University, Perth)


Wer regelmäßig Nachrichten aus dem eigenen Land und der Welt verfolgt, wird nicht umhin können, sich die Fragen zu stellen, ob man mehr tun kann und sollte, um anderen zu helfen. Wir erkennen allgemein an, dass wir eine gewisse Verantwortung für das Wohlergehen anderer haben. Während man als Einzelner angesichts von komplexen und weitreichenden Problemen wenig ausrichtet, sind wir uns zunehmend bewusst, dass kollektives Handeln äußerst erfolgreich sein kann. Gemeinsam mit anderen können wir oft Dinge erreichen, die allein unmöglich sind. Folgt daraus eine gemeinsame Verantwortung für derartige Probleme?

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02 Nov

Videos: Online Diskussion: Philosophie und Armut – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft?

Am 6. Oktober 2021 fand die online Diskussion „Philosophie und Armut – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft?“ statt. Es diskutierten Anke Graneß (Hildesheim), Christoph Henning (Erfurt), Ina Schildbach (OTH Regensburg) und Anne Schwenkenbecher (Murdoch). Die Statements zum Podium sind hier als Videos dokumentiert.

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05 Okt

„Monetäre Armut“: die Details hinter diesem Armutsbegriff

von Stefan Angel (WU Wien) und Karin Heitzmann (WU Wien)


Dieser Blogbeitrag bezieht sich auf einen ausführlichen Beitrag im neuen Handbuch Philosophie und Armut, welches im April 2021 bei J.B. Metzler erschienen ist.


Die Frage, wie Armut definiert und gemessen werden kann ist nicht nur ein wissenschaftliches oder statistisches „Problem“, sondern auch eine höchst politische Angelegenheit. „Monetäre“ Armut ist nur eine, aber eine relativ weitverbreitete Möglichkeit, um Armut zu erfassen. Dieser Blogbeitrag beleuchtet die Details hinter diesem Armutsbegriff, was er ermöglicht und was er ausblendet.

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08 Jul

Chancengleichheit und Armut

Dieser Blogbeitrag bezieht sich auf einen ausführlichen Beitrag im neuen Handbuch Philosophie und Armut, welches im April 2021 bei J.B. Metzler erschienen ist.


Von Marcel Twele (Bern)


Die Begriffe „Armut“ und „Chancengleichheit“ lassen verschiedene Interpretationen zu. Umfasst Armut nur das Entbehren absoluter Güter (wie eine nahrhafte Ernährung) oder auch positionaler Güter (wie gesellschaftliche Anerkennung)? Haben Menschen bereits dann gleiche Chancen, wenn sie, ohne diskriminiert zu werden, mit allen anderen um vorteilhafte  gesellschaftliche Positionen wetteifern können, oder erfordert Chancengleicheit einen Ausgleich sozial- oder gar genetisch ungleicher Ausgangsbedingungen, womöglich bereits im Kindesalter (oder früher)? Dies ist mehr als ein Streit um Worte, denn viele Menschen glauben, dass wir Gründe haben, Armut zu bekämpfen und Chancenungleichheit zu verringern. Doch auch hier ist man sich keinesfalls einig: Manche sehen Handlungsbedarf hinsichtlich keines oder nur eines der beiden Phänomene. Diejenigen, die sowohl ein (moralisches bzw. politisches) Prinzip der Beseitigung von Armut (im Folgenden „Suffizienzprinzip“) als auch ein Prinzip der Chancengleichheit akzeptieren, können zudem unterschiedlicher Ansicht darüber sein, was von beiden im Konfliktfall Vorrag hat.

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08 Jun

Klima und Armut

von Ivo Wallimann-Helmer (Fribourg)


Dieser Blogbeitrag bezieht sich auf einen ausführlichen Beitrag im neuen Handbuch Philosophie und Armut, welches im April 2021 bei J.B. Metzler erschienen ist.


Der Klimawandel trifft die armen und ärmsten Weltregionen und Bevölkerungsgruppen besonders hart. Weder haben diese in der Vergangenheit viel zum Klimawandel beigetragen, noch ist ihr heutiger Treibhausgasausstoß annähernd so hoch wie derjenige in den entwickelten Industrienationen und einigen Schwellenländern. Eine der größten Schwierigkeiten besteht darin, mit Klimamaßnahmen die bestehende Armut nicht zu verstärken, sondern bestenfalls zu mildern. Ideal sind deshalb Maßnahmen, die nicht nur dem Klimaschutz dienen, sondern auch der Armutsbekämpfung.

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20 Mai

Das Lieferkettengesetz in der Diskussion. Potenziale und Herausforderungen für Arbeitnehmer*innen im globalen Süden – eine Bewertung auf Basis des Capability Ansatzes

Dieser Blogbeitrag bezieht sich auf einen ausführlichen Beitrag im neuen Handbuch Philosophie und Armut, welches im April 2021 bei J.B. Metzler erschienen ist.


Von Annekatrin Meißner (Passau)


Das Bundeskabinett hat am 3. März 2021 den Entwurf eines ‚Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten‘ für Deutschland verabschiedet. Die Reaktionen auf den Gesetzesentwurf des Sorgfaltspflichtengesetzes – besser bekannt als Lieferkettengesetz – fallen sehr unterschiedlich aus. Während er der Initiative Lieferkettengesetz und einer Vielzahl von Unternehmen nicht weit genug geht, bewerten 28 Wirtschaftsverbände die Verpflichtungen als zu umfassend. In diesem Beitrag möchte ich basierend auf dem Capability Ansatz von Amartya Sen eine Einschätzung zu den Potenzialen und Herausforderungen des Sorgfaltspflichtengesetzes für Arbeitnehmer*innen in Zuliefererbetrieben im globalen Süden geben und dabei besonders die Relevanz der Erweiterung des Capability Ansatzes um globale Umwandlungsfaktoren hervorheben.

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06 Mai

Zwischen Tugend- und Sozialethik: Armut in der Patristik und im Frühmittelalter

Dieser Blogbeitrag bezieht sich auf einen ausführlichen Beitrag im neuen Handbuch Philosophie und Armut, welches im April 2021 bei J.B. Metzler erschienen ist.


Von Peter Schallenberg (Mönchengladbach)


Alles Nachdenken einer christlich inspirierten Philosophie zur Armut beginnt mit dem programmatischen Satz Jesu: „Denn wo euer Schatz ist, da ist euer Herz!“ (Mt 6, 21) Es geht nicht um Reichtum und Armut an sich, es geht in gut platonischer und altkirchlicher Tradition um das Ziel des Denkens und Handelns, letztlich des menschlichen Lebens: Wozu ist der Mensch auf Erden?

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22 Sep

Anerkennung und Armut

Von Gottfried Schweiger (Salzburg)


Anerkennung hat sich in den letzten Jahren als ein zentrales Konzept in der politischen Philosophie und Sozialphilosophie etabliert. Ausgehend von seiner Verwendung bei Fichte und Hegel und insbesondere durch seine Aktualisierung im Werk von Axel Honneth, aber auch bei Denkerinnen wie Nancy Fraser oder Charles Taylor, wird Anerkennung zur Analyse und Kritik sozialer Verhältnisse herangezogen. Armut kann als Missachtung und Nichtanerkennung kritisiert werden.

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