25 Jul

Der Code of Ethics als ethisch-politischer Auftrag der Sozialen Arbeit

Von Gudrun Perko (FH Potsdam)


Das Zunehmen „extremer Rechter“ (als Sammelbegriff für verschiedene rechtsextremer Gruppen), auch in ihrem parteipolitischen Gewandt, aber auch Praxen rechtsorientierter Politikenbedrohen sozialarbeiterische Unterstützungsstrukturen. Um so mehr ist der Rekurs auf den Auftrag der Sozialen Arbeit als Menschenrechts- und Gerechtigkeitsprofession gefragt. Zur Stärkung des Selbstverständnisses der Sozialen Arbeit muss hierbei auf den (inter)nationalen Code of Ethics der Sozialen Arbeit zurückgegriffen werden. In dem vorliegenden Beitrag werden die darin dargestellten Aufforderungen beispielhaft beschrieben und gefragt, inwiefern es dabei um eine ethisch-politisierte Soziale Arbeit geht.

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25 Jun

Kants zu radikales Argument für Menschenwürde

Von Bernward Gesang (Mannheim)

Kants Argumentation für eine Menschenwürde, die keinen Preis kennt, ist Fluch und Segen zugleich. Segen, weil sie nach Jahrtausenden der Despotie den unverrechenbaren Wert des Individuums betont. Das war historisch gesehen ein riesiger Schritt. Man konnte das Individuum nicht mehr als notwendiges Opfer für die Entwicklung der Weltgeschichte verbuchen. Das prägt auch die deutsche Verfassung und Rechtsprechung. Hier erweist sich die Argumentation heute aber als Fluch: Man darf nicht die Würde einiger weniger für die Rettung der Würde von vielen in Kauf nehmen. Das lehrt das Verfassungsgerichtsurteil gegen den Abschuss eines entführten Flugzeugs, das als Waffe gegen Frankfurter Bankentürme eingesetzt werden soll – ähnlich dem 11. September Attentat in den USA. Kants Verständnis von Menschenwürde blockiert auch eine vernünftige Regelung der Sterbehilfe. Kant verbietet die völlige Instrumentalisierung eines Menschen, es gibt aber Fälle, in denen eine solche Instrumentalisierung sogar geboten ist. Wenn ein Kind im See ertrinkt, muss man es retten, wenn man dies am Ufer registriert. Wenn nun der einzige Weg, es zu retten darin besteht, ein Boot von Herrn Müller dazu zu verwenden, Müller aber wegen möglicher Kratzer den Schlüssel des Bootes herauszugeben verweigert, ist man verpflichtet, Müller den Schlüssel zu entwenden, und das gegen seinen Willen also unter Inkaufnahme einer völligen Instrumentalisierung. Kants Verbot einer völligen Instrumentalisierung ist eingängig, aber falsch und gefährlich.

20 Sep

Politische Sozialisation und Computerspiele

Von Wulf Loh (Tübingen)

Einleitung

Als zumeist auch narratives Medium vermitteln viele Computerspiele ein bestimmtes Bild von Politik. Das heißt, sie stellen politische Werte, Legitimationsmechanismen und -strategien, Aushandlungsprozesse, Machtverteilungen und -ungleichgewichte usw. auf eine bestimmte Weise dar und leisten so – wie andere Medien auch – einen Beitrag zur politischen Sozialisation. Von anderen Medien unterscheiden sie sich allerdings nach landläufiger Meinung durch ihre höhere Immersivität und Interaktivität. Dies wirft die Frage auf, ob Computerspiele aufgrund ihrer besonderen Belohnungsstrukturen und ihrer „aktionalen Involvierung“ (Neitzel 2012) die Medienkompetenz der Nutzer:innen vor größere Herausforderungen stellen und daher in besonderer Weise Rückwirkungen auf deren demokratische Sozialisation und Sozialintegration als Citoyens haben können.

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20 Jul

Verdammt(e) Gefühle!? Vorschläge gegen Indifferenz und Gleichgültigkeit

Von Peggy H. Breitenstein (Jena)


Etwa zeitgleich mit Donald Trumps Einzug ins Weiße Haus haben sich eigentümlich widersinnige Reden im politischen Diskurs eingenistet: Paradoxe Formulierungen wie „alternative Fakten“, „postfaktische Politik“, „Postwahrheit“ zeigen ernsthafte Zweifel darüber an, dass über Tatsachen und Tatsachenwahrheiten eigentlich nicht gestritten werden kann. Zugleich wird diesem Zweifel auch vehement widersprochen. Dabei jedoch geraten immer wieder die Gefühle bzw. Emotionen in den Fokus, wird ihnen doch die Schuld an der Verwirrung zugeschrieben. Das Politische werde „emotionalisiert“ und Wahrheiten nur noch „gefühlt“, heißt es. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass der eigentliche Fehler im Intellekt selbst liegt: im Versäumnis, begrifflich sorgfältig und verantwortungsvoll zwischen Meinung, Tatsachen und Tatsachenwahrheiten zu unterscheiden.

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15 Apr

Politische Philosophie und politische Arbeit an der Universität

Von Gottfried Schweiger (Salzburg)


Politische Philosophie denkt oft über die großen Probleme und Ungerechtigkeiten in der Welt nach. Wie steht es aber um die politische Arbeit für politische Ideale und Ideen an der Universität? Diese politische Arbeit und die Besonderheiten der Organisation und des sozialen Raums „Universität“ werden nur selten explizit reflektiert, dabei hätte die politische Philosophie doch das Handwerkszeug dazu.

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08 Apr

Das Affektive ist politisch. Eine schemenhafte Skizze des Zusammenhangs zwischen Affektivität und Politik

Von Jule Govrin (Berlin)


In politischen Prozessen kochen die Gefühle hoch, sei es in angriffslustigen Debatten in den digitalen Arenen, im erhitzten Schlagabtausch bei Polit-Talkshows, in aufgeregten Bundestagsdebatten, in wütenden Menschenmassen auf Demonstrationen oder in sensationslüsternen Berichterstattungen über tagespolitische Geschehnisse. Bisweilen drängt sich der Eindruck auf, als hätten sich solche Gefühlsausbrüche in den letzten Jahren rasant vermehrt und verstärkt. Ertönen nicht öfter Beleidigungen und Buhrufe im Bundestag, seitdem dort die rechte Partei Alternative für Deutschland (AfD) eine Fraktion stellt, die die Provokation lustvoll zu zelebrieren scheint? Treten nicht selbst Politikerinnen, die vormals als gemäßigt galten, ungleich streit- und angriffslustiger auf? Hat nicht die Präsidentschaft Donald Trumps mit der Diskursethik des besseren Arguments gebrochen, um affektgeladenem Gebaren Platz zu machen? Drängen die digitalen Dynamiken, die Aggressionseskaladen in den sozialen Medien anheizen, die demokratische Öffentlichkeit ins Irrationale? Derartige Vermutungen gehen von einer Art Reinheitsthese der Politik aus, als brächen gegenwärtig Gefühle in die Vernunftsphäre der Politik hinein. Allerdings verkennt solch eine Einschätzung vorschnell, dass Politik und Affektivität weit über die Gegenwart hinaus in ganz grundlegender Weise miteinander verbunden sind. Der Mensch als Zoon politikon, als politisches Tier, wie ihn einst Aristoteles bezeichnete, war niemals reines Vernunftwesen. Wie Menschen von Begehren und Gefühlen bestimmt sind, so ist auch das Geschäft der Politik seit jeher von Leidenschaften geleitet. Um das verquickte Verhältnis von Gefühlen und Politik in den Blick zu bekommen, ist es hilfreich, zunächst den Begriff des Affekts unter die Lupe zu nehmen, um ihn anschließend in Zusammenhang zur Politik und zum Politischen zu setzen.

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15 Okt

Der praktische Nutzen des Ideals. Die Relevanz idealer Theorie zur Bewertung politischer Optionen­

Von Jürgen Sirsch (Bamberg)


Wie sollte man aktuelle gesellschaftliche Zustände bewerten? Wie sollte man beurteilen, in welche Richtung wir uns bewegen sollten, wenn wir aktuelle Zustände verändern wollen? Ideale Theorie liefert Antworten auf diese Fragen. In idealer Theorie stellen wir systematisch Überlegungen darüber an, wie eine gerechte Gesellschaft aussehen könnte – etwa, ob es sich hierbei um eine kapitalistische oder sozialistische Gesellschaft handelt. Gleichzeitig liefern uns Ideale auch relevante Hinweise darüber, was wir im Hier und Jetzt tun sollten.

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28 Jan

Warum experimentieren wir nicht?

von Bernward Gesang (Mannheim)


Dass etwas faul ist im Staate, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Der Klimawandel schreitet voran, die Politik erweist sich als unfähig, angemessen zu reagieren, denn das demokratische Ringen um Kompromisse zersetzt zum Beispiel jedes „Klimapaket“. Unsere westlichen Demokratien begeistern zudem die meisten ihrer Bürger nicht mehr. Viele fühlen sich nicht mehr durch das System repräsentiert. Politik kann nichts mehr bewegen. Sie ist auf kurzfristige Balancierung der mächtigsten Interessen abonniert, verliert auf diesem Weg die Herzen der Bürger und überlastet zudem den Planeten ökologisch. „Demokratiemüdigkeit“ nennt sich ein Teil des Phänomens. Das bringt das subjektive Empfinden vieler Bürger auf den Punkt. Dagegen mobilisieren sich basisdemokratische Volksbewegungen, „Occupy“, „Pulse of Europe“, „Piraten“ usw., aber diese Bewegungen verebben und finden keinen Hebel, um das System zu ändern. Ob „Fridays for future“, deren Anliegen nicht basisdemokratisch ist, hier eine Ausnahme machen, muss sich noch zeigen.

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16 Aug

Hannah Arendt und das „postfaktische Zeitalter“

von Judith Zinsmaier (Tübingen)


Mit dem 2016 von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres gewählten Begriff „postfaktisch“ soll dieser zufolge eine Situation beschrieben werden, in der sich die politischen Debatten nicht mehr an Fakten und Wahrheiten orientieren, sondern an Emotionen. Nicht das Aussprechen der Wahrheit, sondern dasjenige der ‚gefühlten Wahrheit‘ führe im „postfaktischen Zeitalter“ zum Erfolg.[1]

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07 Aug

Eine Dosis Populismus gefällig?

von Thomas Plieseis (Salzburg)


Im Jahr 2000 ging ein Aufschrei durch die demokratischen Länder Europas und der westlichen Welt. Die Europäische Union sah sich zum ersten Mal mit einer Regierung in der eigenen Reihe konfrontiert, die zum Teil aus einer populistischen Partei bestand. Die Rede ist von der Regierungsbeteiligung der damals EU-kritischen FPÖ in Österreich. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) formte gemeinsam mit Jörg Haider von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) eine schwarzblaue Koalition. Die in den Augen vieler als klar populistisch-einzustufende FPÖ machte im Wahlkampf vor allem mit einem EU-kritischen und ausländerfeindlichen Wahlkampf auf sich aufmerksam und erreichte bei der Nationalratswahl 1999 Platz 2 mit rund 27 Prozent der Stimmen. Sie verwies damit sogar knapp die Altpartei ÖVP auf den dritten Rang. Als diese zwei Parteien eine Regierung bildeten und die erstplatzierte Sozialdemokratische Partei Österreich (SPÖ) in die Opposition schickten, ertönten sowohl national als auch international kritische Stimmen, die darin eine Gefahr für unsere westlichen, demokratischen Werte sahen. Der österreichische Bundespräsident Thomas Klestil (ÖVP) musste am Ende sichtlich widerwillig die neue Regierung angeloben, doch nicht ohne zuvor von Schüssel und Haider ein klares Bekenntnis zur Demokratie und der Europäischen Union abzuverlangen. International kündigten 14 der damals 15 Mitgliedstaaten an, Österreich im Falle einer Regierungsbeteiligung der FPÖ zukünftig diplomatisch zu isolieren. Am Ende gab es eine typisch österreichische Lösung, um alle zu befriedigen: Die ÖVP und die FPÖ bildeten zwar eine Regierung, aber Jörg Haider wurde nicht Teil davon und wurde stattdessen Landeshauptmann von Kärnten.

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